CaroStories #6 – Eintauchen ins wahre Leben

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Corona habe ich in meinen Gedanken oft genug verflucht, allerdings hat mir diese Pandemie auch wieder vor Augen geführt, wo der Fokus eigentlich liegen sollte, was wirklich zählt. Zuhause haben mich alle gefragt, wie ich mir meine Reise finanziere und es ging irgendwie hauptsächlich ums Geld. Erst vor kurzem meinte ein Bekannter zu mir: „Reisen ist schön, zumindest wenn man es sich leisten kann“. Von wegen! Ich habe noch nie so intensiv gespürt, wie wertlos Geld doch eigentlich ist. Wie selbstverständlich meine Freiheit zu Hause immer war. Dabei ist meine Freiheit mit das Wichtigste in meinem Leben. Denn selbst mit meinem Ersparten war es mir hier an Tagen mit strikter Ausgangssperre nicht einmal möglich, im Shop gegenüber ein Eis zu kaufen. An ein Zugticket in den nächsten Ort, geschweige denn ein Flugticket in angrenzende Länder ist momentan nicht einmal zu denken. Geld scheint doch nicht alles zu sein, ist aber bei uns häufig das Thema Nummer eins…

Ich wurde mir auch bewusster, wie wenig bedeutend für mich das Aussehen eines Menschen ist. Während ich zum Beispiel einen Chinesen nicht einmal als solchen wahrnahm, geschweige denn diesen mit der Pandemie in Verbindung brachte, ging meine Zimmernachbarin gedanklich schon panisch auf Abstand und hielt nach Fluchtmöglichkeiten Ausschau. Wie es sich anfühlt, wegen seiner Herkunft gesondert behandelt zu werden, durfte ich ja am Flughafen in Colombo selbst erfahren. Schön war das nicht! Es ist doch wirklich verrückt, dass wir zum Beispiel zum Mond fliegen können, uns aber immer noch so von Vorurteilen leiten lassen…

Und noch eine neue Entdeckung: In meinem Kopf war fest verankert, dass man Kultur, Land und Leute am Besten kennenlernt, wenn man möglichst viele Orte in einem Land sieht. Hier bin ich nun schon seit Monaten an ein- und demselben Fleck, weiß nicht einmal, wie man Bus fährt, und habe schon so viel über die Einheimischen und deren Leben gelernt. Vor allem habe ich mehr über die Schattenseiten erfahren, die Korruption, die Polizeigewalt, und die Machenschaften der Mafia. Wo man beim Herumreisen sonst in der Regel doch mehr die schönen Seiten sieht oder sehen will, konnte ich mir hier nicht aussuchen, was ich erlebe, sondern war ungefragt mitten drin!

Auch wenn ich bisher nicht annähernd die Welt bereist habe, wie ich mir das so vorgestellt hatte, habe ich wohl doch in mir eine ganz schön lange Wegstrecke zurückgelegt. Das stimmt mich versöhnlich…